Die Europäer

Die allgemeine Regierung des Staats [Batavia] ist auf den Grund und Fuß der vereinigten Niederlanden gesetzet, welche der Ordnung nach auf die Alleinherrschafften oder Monarchien folget, und nichts anders als einer Republic gleichet, allwo die Ritterschafftliche Glieder, das ist: die Edle Herrn von Indien, das höchste Gesag oder Gebieth haben, und ist um wichtiger Ursachen willen in sechs Collegien oder Amtsgenossenschafften vertheilet.“

Johann Wolffgang Heydt

Das gesamte Leben der Bevölkerung wurde durch die „Edle Compagnie“ gesteuert und überwacht und selbstverständlich waren die „Edlen Herrn von Indien“ und alle Staatsangestellten, Professoren, Handwerksmeister, Buchhalter, Geometer usw. Europäer.

Alle Baasen [Vorgesetzten], oder Meister derer Handwerks=Leute, sind gehalten des Morgends um 7. Uhr, und des Nachmittags um 1. Uhr, von ihrer Arbeit und von ihren Untergebenen Rapport an denselben abzustatten. Dieser aber im Gegentheil muß dergleichen täglich, des Morgends um 8. Uhr, von allem und jedem, was nur in diesem Quartier, und unter denen Handwercks=Leuten der Edlen Compagnie vorfällt, an den General=Gouverneur verrichten, von welchem er dann wiederum neue Befehle, was ferner zu thun ist, empfänget.“

Johann Wolffgang Heydt

Auch Europäer mussten sich an Regeln halten, z.B.:

Wann eine Manns=Person 21. und eine Frauens=Person 18. Jahr alt ist, so wird eine Vermählung unter habilen [passenden] und ansehnlichen Leuten gestattet, es dörffen sich aber keine Unchristen mit einem Europäer, und keine Europäers mit Eingebohrnen, die kein Holländisch sprechen, und sich nicht zu der Christlichen Religion bekennen, trauen lassen.“ „Die Europäer in Batavia sind gehalten, sich nach ihrem Stand und Caracter zu tragen [kleiden] und aufzuführen; […] Ein Justitien=Rath hat in seinem Amt einen langen schwartzen Mantel über sein schwartzes Kleid herunter hangen, und so er ausfähret, laufft ein schwarzer Jung oder Sclav mit einem Stock in der Hand vor denen Pferdten her. Hingegen hat ein Edler Herr deren zwey, ein Directeur-General drey, und ein Gouverneur-General vier vor sich her lauffen […]“

Johann Wolffgang Heydt

Aus der VOC desertierten Matrosen drohten schwere Strafen:

Vor der Edlen Compagnie Cypiers [Gefängniswärter] Wohnung, siehet man einen alten und halb=verdorrten Tamarinden=Baum, unter welchem zwey Böcke oder Esel (wie man dieselbe bey uns unter denen Soldaten gebrauchet) stehen, worauf man des öfftern Matrosen oder Seefahrendes Volck reiten siehet, die der Edlen Compagnie getrosset oder ausgerissen, und wiederum eingebracht worden. Wann dieselbe ihres Arrest entlediget, so werden sie zu 2. 4. 6. auch wohl 8. Tage darauf zu reiten condemniret [verurteilt]. Man hänget ihnen auch wohl zum öfftern Steine an die Füsse, und müssen sie in solcher beschwerlichen Positur auf denen sehr scharffen Böcken oder Eseln den gantzen Tag sitzen und reiten; wobey ein oder 2. Caffers (des Beuls [Henker] oder Henckers Handlanger) stehen, und acht haben, damit sie nichts unterlegen können. Die Beine sind ihnen von unten mit einem etwa anderthalb Schuhe langen Eisen, (an welchem zu beyden Seiten Ringe […]) fest geschlossen; damit sie nicht entrinnen können. Nach ausgestandener dieser Straffe, werden solche Trossers oder Deserteurs mehrentheils nacher Onrust- oder dem Eyland Unruhe unter die Flagge verschicket, um allda noch 3. 4. ja 6. und mehrere Wochen an dem Schiffsbau (welches eine sehr harte und schwehre Arbeit) den Rest ihrer Straffe zu büssen. Wer eine Kurtzweil haben will, der darff nur solchen Bock oder Eselsreitern im vorbeygehen zuruffen, ob sie nicht ein Brieffgen mitnehmen wollten?

Johann Wolffgang Heydt

Die Festungsmauer von Batavia, deren Tore an Gerichtstagen geschlossen wurden.

Die Gerichtstage in Batavia

An den Gerichtstagen wurde vor dem Rathaus ein Schafott errichtet, zusätzlich zwei Pfähle

Wann einige gespisset werden sollen, werden so viele Pfähle als Maleficanten zurecht gerichtet, und auf dem Platz Löcher gegraben. Alsdann nimmt der Scharffrichter ein Messer, machet oberhalb dem Gesäß des armen Sünders eine kleine Oeffnung, und stecket gemächlich zwischen Haut und Fleisch ein lang spitzig Eisen bis oben zu Ende des Rückgrads durch, und zwar bis die Spitze einen Fuß lang hinaus gehet, alsdann wird der Spieß unten in den Pfahl gestecket, an welchem ein Brettgen ohngefehr eines guten Schuhes im Quadrat, fest gemachet ist, worauf der Maleficant sitzen kann. So dieses geschehen, wird der Pfahl mit ihme aufgerichtet, und wann ihrer viele, welche miteinander gespisset worden, (dergleichen dann öffters geschiehet, daß ihrer mehrere in einem Tag hingerichtet werden) setzet man die Pfähle mit denen gespißten in einem halben Mond oder in einem Quadrat vor das Rathauß in obgedachte Löcher, da sie dann, welches ich selbsten mit meinen Ohren gehöret, mit einander discuriren, und die Umherstehende um ein wenig Pinangh [Betelnuss] ersuchen oder ansprechen. […] Weilen nun dergleichen justificirte [zur Rechenschaft gezogene] Personen durch den Spieß nirgends im Leibe viel verletzet werden, so leben dieselbe, wann das Wetter nicht allzu hitzig und sie davon verschmachten müssen, zum öfftern 6. bis 7. Tage. Diese gantze Zeit über müssen die Caffers [Henkersknechte] bey ihnen wachen. Wann sie nun sämtlich todt, werden sie abgenommen, und nach dem Hochgericht der Stadt gebracht, um allda aufgesteckt zu werden, bis sie von der Lufft nach und nach verzehret worden.

Johann Wolffgang Heydt

Heydt beschreibt noch detaillierter das Verbrennen und Enthaupten und meint anschließend

Ich bin bey nahe in etwas zu weit mit meinen Erzehlungen von der Beschreibung des Prospects [über den Rathausplatz] abgegangen, allein ich hoffe der geneigte Leser wird mich hierinnen excusiren [entschuldigen], massen mir bekannt, daß in keinem Autore vieles von denen Gerichts=Umständen, gemeldet worden. […] Bey solchen Gerichts=Tagen muß vieles Volck ins Gewehr, und werden die Thore der Stadt und des Castells bis alles vorbey gesperret. Um das Chafot [Schafott] wird ein dreyfacher Creyß geschlossen, um denen Inländern alle Mittel zu einer Revolte, die sich etwa dabey eräussern könnte, zu benehmen.“

Johann Wolffgang Heydt

Obwohl diese Brutalität nicht nur in den Kolonien, sondern auch in Europa akzeptiert wurde, befürchtete man an solchen Gerichtstagen Aufstände.